Beschreiten des Weges und Erwecken der Zentren
Ein Auszug aus dem Buch “Eine Abhandlung über weiße Magie“
von Alice Bailey, Kapitel XIV:
Jüngerschaft ist eine Synthese von harter Arbeit, intellektueller Entfaltung, beharrlichem geistigem Streben und geistiger Orientierung; dazu kommen die seltenen Qualitäten positiver Harmlosigkeit und des offenen Auges, das nach Belieben in die Welt der Wirklichkeit hineinschaut.
Es sollten dem Jünger bestimmte Überlegungen nahe gebracht werden, die wir um der Klarheit willen aufzählen wollen. Um ein Adept zu werden, muss der Jünger folgenden Geboten gehorchen:
1. Erforsche den Weg.
2. Gehorche den inneren Impulsen der Seele.
3. Kümmere dich nicht um weltliche Überlegungen oder Rücksichten.
4. Führe ein Leben, das anderen als Beispiel dient.
Diese vier Forderungen mögen beim ersten oberflächlichen Lesen leicht erfüllbar klingen; wenn man sie jedoch sorgfältig studiert, so wird es deutlich werden, warum ein Adept «die seltene Blüte einer Generation suchender Menschen» ist. Wir wollen einmal diese vier Punkte nacheinander durchgehen.
1. Erforsche den Weg. Von einem Meister wird uns gesagt, dass aus einer ganzen Generation Suchender vielleicht nur ein Adept hervorgeht. Warum sollte das so sein? Aus zwei Gründen:
Erstens ist der wahre Forscher ein Mensch, der über die Weisheit seiner ganzen Generation verfügt, der das Beste ist, was [584] seine eigene Zeit hervorgebracht hat, und der doch unbefriedigt bleibt, denn sein inneres Verlangen nach Weisheit ist ungestillt. Es wird ihm klar, dass es etwas Wichtigeres gibt als alles Wissen, etwas, das grössere Bedeutung hat als alle Erfahrung seiner eigenen Epoche und Zeit zusammengenommen. Er erkennt eine weitere Stufe und versucht, sie zu ersteigen, um etwas zu gewinnen, das er zu dem bereits von seinen Gefährten erworbenen Anteil hinzufügen kann. Nichts befriedigt ihn, ehe er nicht den Weg findet, nichts stillt das Verlangen im Zentrum seines Wesens, als nur das, was er im Haus seines Vaters findet. Er wird zu dem, was er ist, weil er alle geringeren Wege erprobt und sie als unzureichend befunden hat, weil er vielen Führern gefolgt ist und herausfand, dass sie «blinde Führer der Blinden» waren. Es bleibt ihm nichts übrig, als sein eigener Führer zu werden und seinen Weg nach Hause allein zu finden. In der Einsamkeit, die das Los eines jeden wahren Jüngers ist, wird jene Selbsterkenntnis und jenes Selbstvertrauen geboren, die ihn wiederum befähigen, ein Meister zu werden. Diese Einsamkeit ist nicht einer absondernden Geisteshaltung, sondern den Bedingungen des Weges selbst zuzuschreiben. Die Aspiranten müssen diesen Unterschied sorgfältig beachten.
Zweitens ist der echte Forscher ein Mensch, dessen Mut von jener seltenen Art ist, die den Besitzer befähigt, aufrecht dazustehen und seinen eigenen klaren Ton inmitten der Unruhe der Welt erklingen zu lassen. Es ist ein Mensch, dessen Auge so geschult ist, dass es über die Nebel und Dünste der Erde hinweg auf jenes Zentrum des Friedens schauen kann, das über allen irdischen Geschehnissen steht; er hat das geübte, aufmerksame Gehör, das (nachdem er einmal das Flüstern der Stimme der Stille vernommen hat) auf diese hohe Schwingung abgestimmt bleibt und somit allen geringeren, verlockenden Stimmen gegenüber taub ist. Auch das bringt wieder Einsamkeit und führt zu jenem Abstand, den alle weniger entwickelten Seelen in der Gegenwart von Menschen spüren, die ihnen voraus sind.
Eine paradoxe Situation entsteht durch die Tatsache, dass dem Jünger gesagt wird, er solle den Weg erforschen, und doch ist niemand da, der ihm etwas darüber sagen würde. Diejenigen, die den Weg kennen, dürfen nicht sprechen, denn sie wissen, dass der Pfad vom Aspiranten erbaut werden muss, so wie die Spinne aus dem [585] Mittelpunkt ihres eigenen Wesens heraus ihr Netz spinnt. So entfalten sich in jeder Generation nur jene Seelen zu Adepten, die allein durch die «Kelter des göttlichen Zornes geschritten sind», oder die - mit anderen Worten - ihr Karma allein abgetragen und einsichtsvoll die Aufgabe übernommen haben, den Pfad zu betreten.
2. Gehorche den inneren Impulsen der Seele. Die Lehrer der Menschheit unterrichten den angehenden Eingeweihten wohlweislich darin, das Unterscheidungsvermögen zu üben; sie schulen ihn in der mühsamen Aufgabe, zu unterscheiden zwischen:
a. Instinkt und Intuition.
b. Höherem und niederem Denken.
c. Verlangen und geistigem Impuls.
d. Egoistischem Streben und göttlichem Antrieb.
e. Dem von den Lunarherren ausgehenden Drang und der Entfaltung des Sonnenherrn.
Es ist keine leichte oder schmeichelhafte Aufgabe, sich selbst zu ergründen und zu entdecken, dass vielleicht sogar der Dienst, den wir geleistet haben, und unser Verlangen, zu forschen und zu wirken, im letzten Grund einer egoistischen Haltung entsprang und auf dem Wunsch nach Befreiung oder auf der Unlust beruht, eintönige Alltagspflichten zu erfüllen. Derjenige, der den Impulsen der Seele gehorchen will, muss im Zusammenfassen von Tatsachen genau sein und eine Wahrhaftigkeit gegen sich selbst pflegen, was heute wirklich noch sehr selten ist. Er sollte sich sagen: «Ich muss gegen mein eigenes Selbst wahrhaftig sein», und er soll auch in den Augenblicken seines Lebens, die ihm allein gehören, und in der Verschwiegenheit seiner eigenen Meditation keinen Fehler beschönigen, noch sich in irgend einer Hinsicht entschuldigen wollen. Er soll lernen, seine eigenen Worte, Taten und Motive prüfend zu erkennen und die Dinge beim richtigen Namen zu nennen. Nur so wird er sein geistiges Unterscheidungsvermögen schulen und die Wahrheit in allen Dingen erkennen lernen. Nur so kann er zur Wirklichkeit durchdringen und das wahre Selbst erkennen.
3. Achte nicht auf die gescheiten Überlegungen weltlicher Wissenschaft und weltlicher Klugheit. Wenn der Aspirant in sich die Fähigkeit heranbilden muss, allein zu gehen, wenn er die Kraft [586] entwickeln muss, in allen Dingen wahrhaftig zu sein, so ist es für ihn ebenso nötig, seinen Mut auszubilden. Er wird der Meinung der Welt konsequent entgegentreten müssen, auch wenn sie sich in der besten Weise äussert; und dies wird immer wieder notwendig sein. Er muss lernen, das Rechte zu tun, so wie er es sieht und erkennt, ohne Rücksicht auf die Meinung auch der grössten und meistgenannten Menschen der Erde. Er muss sich auf sich selbst verlassen und den Beschlüssen folgen, die er selbst in den Augenblicken geistiger Kommunion und Erleuchtung gefasst hat. Gerade hier versagen so viele Aspiranten. Sie handeln nicht nach bestem Wissen; es gelingt ihnen nicht, bis ins einzelne so zu handeln, wie es ihnen die innere Stimme sagt; sie lassen bestimmte Dinge ungetan, zu denen sie in ihren Meditationsaugenblicken veranlasst wurden, und sprechen nicht das Wort, das ihr geistiger Ratgeber, das Selbst, sie zu sprechen drängt. Aus der Anhäufung all dieser unerfüllten Einzelheiten ergeben sich dann die grossen Misserfolge.
Es gibt im Leben eines Jüngers keine Lappalien, und ein ungesprochenes Wort, eine nicht ausgeführte Handlung können sich als der Umstand erweisen, der den Menschen von der Einweihung abhält.
4. Führe ein Leben, das anderen zum Beispiel dient. Ist es nötig, darauf näher einzugehen? Es scheint, als ob dies nicht sein müsste, und doch versagen die Menschen auch hier wieder. Was ist überhaupt Gruppendienst? Einfach das beispielhafte Leben. Derjenige Mensch ist der beste Repräsentant der Ewigen Weisheit, der jeden Tag, auf dem Platz, wo er steht, das Leben des Jüngers führt; er führt es nicht dort, wo er seiner Meinung nach stehen sollte. Vielleicht ist die Feigheit überhaupt die Eigenschaft, aus der die meisten Misserfolge bei den Aspiranten zur Meisterschaft entspringen. Die Menschen versäumen es, sich dort zu bewähren, wo sie stehen, weil sie irgendeinen Grund finden, der ihnen die Meinung eingibt, sie müssten an anderer Stelle stehen. Die Menschen laufen, meist ohne das klar zu erkennen, vor Schwierigkeiten, vor unharmonischen Zuständen, vor problematischen Situationen und vor Umständen davon, die nach Taten höherer Art verlangen und die dazu bestimmt sind, aus dem Menschen das Beste, das in ihm [587] liegt, herauszuholen, vorausgesetzt, dass er durchhält. Die Menschen fliehen vor sich und anderen, anstatt einfach ihr Leben zu leben.
Der Adept spricht kein Wort, das verletzen, Schaden anrichten oder verwunden könnte. Darum hat er die Bedeutung der Sprache inmitten der Unruhen des Lebens lernen müssen. Er verschwendet keine Zeit an Selbstbedauern oder Selbstrechtfertigung, denn er weiss: das Gesetz hat ihn dorthin gestellt, wo er ist, und wo er am besten dienen kann; er hat gelernt, dass die Schwierigkeiten immer vom Menschen selbst verschuldet und das Ergebnis seiner eigenen gedanklichen Einstellung sind. Wenn ihn der Wunsch ankommt, sich selbst zu rechtfertigen, so erkennt er dies als eine Versuchung, die er meiden muss. Er erkennt, dass jedes gesprochene Wort, jede vollzogene Tat, jeder Blick und jeder Gedanke eine Wirkung zum Guten oder Bösen auf die Gruppe ausübt.
Wird daraus nicht deutlich, warum so wenige Erfolg haben und so viele versagen?
Die Erweckung der Zentren.
Es gibt viel Verwirrung und viele falsche Lehren über die Zentren, wodurch viele Studierende in die Irre geführt und viele Missverständnisse hervorgerufen werden. Zuerst möchte ich erklären, dass niemals eine Bemühung zur Erweckung der Zentren unternommen werden sollte, solange sich der Aspirant unverkennbarer Unreinheiten in seinem Leben bewusst ist, oder wenn der physische Körper in schlechtem Zustand oder krank ist. Ferner sollte diese Bemühung auch in dem Fall unterbleiben, wenn der Druck äusserer Umstände so stark ist, dass es keinen geeigneten Ort oder keine Gelegenheit für eine ruhige und ungestörte Arbeit gibt. Es ist wesentlich, dass man sich für die unmittelbare, konzentrierte Arbeit an den Zentren Stunden schafft, in denen man möglichst für sich allein und ungestört bleiben kann. Das kann ich nicht nachdrücklich genug betonen, und ich tue es, um dem eifrigen Schüler zu zeigen, dass es in dieser Epoche unserer Geschichte nur wenige Menschen gibt, deren Leben diese Zurückgezogenheit erlaubt. Das ist jedoch ein ausserordentlich günstiger und kein beklagenswerter Umstand. Nur einer unter tausend Aspiranten steht auf der Stufe, auf der er beginnen sollte, mit der Energie seiner Zentren zu wirken, und vielleicht ist selbst diese Schätzung zu optimistisch. Viel besser ist es, wenn der Aspirant dient, liebt und arbeitet, sich in Zucht hält und es seinen Zentren überlässt, sich langsamer und darum sicherer zu entwickeln und zu entfalten. Entfalten werden sie sich unvermeidlich, und die langsamere und sichere Methode ist (in den allermeisten Fällen) auch die schnellere. Eine vorzeitige Entfaltung bringt viel Zeitverlust und oft die Keime längerer Beschwerden mit sich.
Eine der Folgen, die sich aus der durch einen Willensakt vollzogenen Verschmelzung der Feuer ergeben, die im menschlichen Körper kreisen, ist notwendigerweise eine Überreizung der Gehirnzellen. Eine solche Überreizung kann zu Geisteskrankheit und zum Zusammenbruch des Zellgewebes im Gehirn führen, und durch die Überaktivität des Zellenlebens kann es auch zu jener inneren Reibung zwischen den Zellen kommen, die sich dann in Abszessen und Gehirntumoren äussert. Dies kann nicht eindringlich genug wiederholt werden.
Das aller Laya-Yoga-Arbeit (oder der Arbeit an den Zentren) zugrundeliegende Ziel beruht [591] auf der Tatsache, dass die Energie der Zellen, aus denen der Körper oder der Materieaspekt besteht, (sie wird in der «Geheimlehre» und in der «Abhandlung über kosmisches Feuer» als das «Feuer durch Reibung» bezeichnet), mit dem Feuer des Bewusstseins verschmolzen werden muss. Dieses letztere ist jene Energie, die zwar in der Materie anwesend ist, sich jedoch von dem Feuer der Materie selbst unterscheidet; sie liegt dem ganzen Nervensystem zugrunde, und eben deshalb bringt sie Empfindungsfähigkeit und Bewusstheit hervor. Sie ist die Ursache für die Reaktion auf einen Kontakt und verleiht - wie ihr wohl wisst - die Fähigkeit, Eindrücke zu registrieren und aufzuzeichnen. Dieses Feuer wird technisch das «Sonnenfeuer» genannt, und wenn es sich mit dem Feuer der Materie und mit dem «elektrischen Feuer» des höchsten göttlichen Aspektes vereinigt, kommt das Wesen des Menschen zu vollster Manifestation, und dann ist das grosse Werk vollendet. Aber es ist ein höchst gefährliches Unterfangen, wenn man diese Vereinigung herbeiführt, ehe der Mechanismus dafür bereit ist.
Diese dreifache Verschmelzung kann nur von dem hoch organisierten und abgerundeten Menschen gefahrlos unternommen werden, von dem, der die Fähigkeit errungen hat, seine Aufmerksamkeit im Kopf zu konzentrieren und von diesem hohen Punkt aus den ganzen Verschmelzungsprozess zu leiten. Dazu gehört die Fähigkeit, das Bewusstsein tatsächlich in den Ätherkörper zurückzuziehen, und doch gleichzeitig - in voller Bewusstheit - eine «Kontaktstelle» im Kopf beizubehalten und von diesem Punkt aus den Automaten, den physischen Körper, zu lenken. Wenn das erfolgreich verlaufen soll, dann setzt es im Körper bestimmte ätherische Gegebenheiten voraus. Eine davon ist das Durchbrennen oder die (teilweise oder ganze) Zerstörung aller Hindernisse längs der Wirbelsäule, die das freie Aufsteigen des Feuers an der Basis der Wirbelsäule, das für gewöhnlich das Kundalinifeuer genannt wird, aufhalten könnten; dieses Feuer ruht still, verborgen und entwicklungsbereit im niedersten Zentrum. Es ist «die schlafende Schlange, welche emporsteigen und sich aufrollen muss».
Ein jedes Zentrum an der Wirbelsäule ist von [592] dem darüber- und darunterliegenden durch ein verflochtenes Schutzgewebe getrennt, das aus einer eigenartigen Mischung von ätherischer und gasförmiger Substanz besteht. Dieses muss hinweggebrannt und zerstreut werden, bevor ein freies Spiel der Feuer des Körpers möglich ist. Ein vollständiges Netz von Nadis und Zentren liegt dem Nervensystem und dem endokrinen Drüsensystem zugrunde und ist dessen feinstoffliches Gegenstück. Ein wenig klares Nachdenken wird deshalb beweisen, welch ausserordentliche Sorgfalt nötig ist, denn offensichtlich ergibt sich damit eine direkte Wirkung auf den äusseren Apparat, und dieser wird wiederum ganz entschieden auf das einwirken, was die Psychologen das «Verhalten» nennen. Es gibt vier dieser geflochtenen, kreisförmigen «Gewebe», die zwischen den fünf Zentren an der Wirbelsäule folgendermassen angeordnet sind: 0 / 0 / 0 / 0 / 0; drei weitere befinden sich im Kopf. Diese drei teilen den Kopf in zwei Teile und bilden wie folgt eine Reihe von Kreuzen:
Dies ähnelt sehr dem Kreuz auf dem Union Jack (der Flagge Grossbritanniens), was für den Schüler immer eine esoterische Bedeutung hatte und einen bestimmten Punkt in der Menschheitsevolution anzeigt. Dieses Kreuz im Kopf trennt das Ajnazentrum das Zentrum zwischen den Augenbrauen) vom Kopfzentrum, denn es liegt hinter diesem Zentrum in der Stirne und bildet gleichzeitig einen Schutzschild zwischen dem Ajna- und dem Kehlzentrum.
Diese ätherischen Gewebe sind in Wirklichkeit Scheiben, die sich mit einer ganz bestimmten Geschwindigkeit drehen, die für die verschiedenen Zentren jeweils verschieden ist und der Entwicklungsstufe des betreffenden Zentrums entspricht. Erst wenn diese Gewebe durch die auf- und absteigenden Feuer verbrannt worden sind, kann man die wahren Zentren wirklich sehen. Viele Hellseher verwechseln die Zentren und deren schützende Hüllen miteinander, denn letztere haben eine eigene Strahlung und ihr eigenes Licht.
Wenn das Leben durch Läuterung und Zucht eine immer höhere Schwingung erreicht, veranlasst das Feuer der Seele, das tatsächlich das Feuer des Denkers ist, auch die Zentren dazu, ihre Schwingung zu erhöhen, und diese verstärkte Tätigkeit stellt einen Kontakt mit den Schutzgeweben oder den Scheiben aus pranischer Energie her, die sich auf jeder Seite der Zentren befinden. So werden [593] sie durch dieses Wechselwirken allmählich abgetragen und abgenutzt, so dass sie im Lauf der Zeit durchlöchert werden, wenn ich einen so unzulänglichen Ausdruck verwenden darf. Viele Aspiranten sind davon überzeugt, dass sie das Kundalinifeuer an der Basis der Wirbelsäule erweckt und emporgehoben haben und infolgedessen rasche Fortschritte machen, während sie lediglich erreicht haben, dass das Gewebe an der einen oder anderen Stelle längs der Wirbelsäule verbrannt oder «durchgerieben» ist. Ein Gefühl des Brennens oder des Schmerzes in irgendeinem Teil der Wirbelsäule ist in den meisten Fällen - wenn es nicht physiologische Ursachen hat - darauf zurückzuführen, dass das eine oder andere Gewebe infolge der Tätigkeit des mit ihm verbundenen Zentrums durchbohrt wurde. Dies geschieht bei Frauen häufig in bezug auf das Solarplexuszentrum, bei Männern in bezug auf das Sakralzentrum. Diese beiden Zentren sind - als Folge evolutionärer Entwicklung - ausserordentlich aktiv und hoch organisiert, denn sie sind Ausdruck der physisch-schöpferischen Natur sowie des Emotionalkörpers. Deshalb weist ein Gefühl des Brennens oder Schmerzes im Rücken gewöhnlich auf eine übermässige Tätigkeit in einem Zentrum hin, was auf den Schutzapparat zerstörende Wirkungen ausübt; es ist also kein echtes Anzeichen geistiger Entfaltung und Überlegenheit. Es könnte auf letzteres hindeuten, doch sollte man bedenken, dass dort, wo ein echtes geistiges Wachstum besteht, Schmerz und Gefahr in diesem Zusammenhang praktisch ausgeschaltet sind.
Es hat schon viel unnützes Gerede über das Hochziehen des Kundalinifeuers und viele Missverständnisse in dieser Angelegenheit gegeben. Ich möchte euch versichern, dass es sehr schwer emporzuheben ist, und dass dies nur durch einen bestimmten Willensakt und durch die intensive gedankliche Sammlung und konzentrierte Aufmerksamkeit des Menschen geschehen kann, der auf dem Thron des Bewusstseins im Kopf sitzt. Die Freimaurertradition hat die Lehre in ihrem schönen Ritual der Erhebung des grossen Meistermaurers klar erhalten. Erst wenn eine geeinte Anstrengung fünffacher Art besteht, und erst nach oftmaligem Misserfolg strömt das erfrischende [594] Leben durch den ganzen Körper und erweckt den wahren Menschen zum Dasein.
Der zweite Punkt, den ich berühren möchte, ist der, dass dieses ganze, zutiefst esoterische Tun nur unter der Leitung eines erfahrenen Lehrers vor sich gehen darf; als eine Binsenwahrheit wird dem Aspiranten gesagt: «Wenn der Schüler bereit ist, erscheint der Meister». Dann setzt er sich bequem hin und wartet, oder er konzentriert seine Aufmerksamkeit auf den Versuch, die Beachtung eines Meisters zu finden, da er in seinen Gedanken anscheinend überzeugt ist, dass er bereit oder gut genug sei. Er nimmt natürlich von Zeit zu Zeit einen geistigen Anlauf und widmet sich krampfhaft der Selbstzucht und Läuterung. Aber eine stetige, andauernde, unbeirrte Bemühung von seitens der Aspiranten ist in der Tat selten.
Es stimmt tatsächlich, dass im rechten Augenblick der Meister erscheinen wird, aber der rechte Augenblick hängt von bestimmten, selbst-veranlassten Bedingungen ab. Wenn der Läuterungsprozess zu einer das ganze Leben begleitenden Gewohnheit geworden ist, wenn der Aspirant sein Bewusstsein nach Belieben im Kopf konzentrieren kann, wenn das Licht im Kopf erstrahlt und die Zentren tätig sind, dann wird der Meister den Menschen an die Hand nehmen. In der Zwischenzeit erschaut er vielleicht ein geistiges Bild des Meisters, oder er mag eine Gedankenform des Meisters sehen und kann viel wirklich Gutes und manche Inspiration aus der Berührung mit der widergespiegelten Wirklichkeit gewinnen, aber das ist nicht der Meister, und es zeigt nicht die Stufe der angenommenen Jüngerschaft an. Mit Hilfe des Lichts der Seele kann man die Seele erfahren und erkennen. Sucht darum das Licht eurer eigenen Seele und erkennt in dieser Seele euren Führer. Wenn der Kontakt mit der Seele hergestellt ist, wird eure eigene Seele euch, wenn ich es so ausdrücken darf, eurem Meister vorstellen. Mit allem schuldigen Respekt möchte ich noch hinzufügen, dass der Meister nicht eifrig darauf wartet, eure Bekanntschaft zu machen. In der Seelenwelt ist seine Seele mit der euren verbunden; dort kennen beide die wesensmässige Einheit. Aber in der Welt menschlicher Angelegenheiten und im Fortgang des grossen Werkes sollte man daran denken, dass, wenn ein Meister einen Aspiranten in die Gruppe seiner Jünger [595] aufnimmt, dieser Aspirant für lange Zeit eine Verantwortung und oft sogar ein Hindernis ist. Die Schüler überschätzen sich sehr oft, auch wenn sie einen solchen Gedanken zurückweisen; subjektiv haben sie eine wirkliche Neigung zu sich selbst und machen sich häufig Kopfzerbrechen darüber, warum die Grossen ihnen kein Zeichen geben, noch ihnen zeigen, dass sie mit Sorgfalt über ihnen wachen. Sie tun es nicht und brauchen es solange nicht zu tun, bis der Aspirant vollen Gebrauch von dem Wissen gemacht hat, das er von geringeren Lehrern, aus Büchern und den gedruckten Schriften der Welt gewonnen hat. Die Schüler müssen sich ihren unmittelbaren Pflichten widmen und ihren Mechanismus für den Dienst in der Welt vorbereiten; sie sollten davon ablassen, ihre Zeit damit zu vergeuden, nach einem Meister auszuschauen; sie sollten dort nach Meisterschaft streben, wo sie jetzt versagt haben; dann erreichen sie vielleicht in einem Leben des Dienens und Ringens die Stufe so vollständigen Selbstvergessens, dass der Meister für seine Annäherung an sie kein Hindernis mehr findet.
Es gibt keine speziellen Anweisungen über die Erweckung der Zentren und die Verbrennung des ätherischen Gewebes, die zur Freimachung von Energie führt, geben kann. Eine solche Mitteilung ist zu gefährlich und zu interessant, als dass man sie in die Hände der allgemeinen Öffentlichkeit geben könnte, die von dem Verlangen nach irgend etwas Neuem getrieben wird, der aber die rechte Ausgeglichenheit und die notwendige gedankliche Entwicklung fehlt. Es ist jedoch die Zeit gekommen, da die Tatsache, dass es einen Energiekörper gibt, der dem Nervensystem zugrunde liegt, von der ganzen Welt anerkannt werden muss, dass das Wesen der sieben Zentren, ihr Aufbau und ihre Lage technisch begriffen und die Gesetze ihrer Entfaltung weithin bekannt werden sollten. Mehr als dies kann jedoch nicht gefahrlos mitgeteilt werden. Diese Wissenschaft von den Zentren ist zu schwierig und zu umfassend, als dass sie allgemein nutzbar gemacht werden könnte. Die Lehren, die gegeben werden müssen, sind in jedem Fall verschieden, und die Methoden, die man anwenden muss, hängen von zu vielen Faktoren ab, als dass sie in allgemeine Regeln und Anweisungen gefasst werden könnten. Strahl und Typus, Geschlecht und Evolutionsstufe müssen in Betracht gezogen werden, und dazu auch das harmonische Verhältnis [596] der Zentren. Damit meine ich die Überlegung, ob im einen Fall eine Überentwicklung, im anderen Fall eine Unterentwicklung besteht, ob die Kraft unterhalb oder oberhalb des Zwerchfells überwiegt, oder ob die Hauptenergie in der zentralen Ausgleichsstelle, im Sonnengeflecht, konzentriert ist. Die Qualität und der Glanz des Lichts im Kopf müssen studiert werden, denn das weist auf das Mass der Seelenherrschaft und auf die verhältnismässige Reinheit der Körperhüllen hin; die verschiedenen ätherischen Gewebe sowie der Schwingungsgrad des Gewebes und der Zentren müssen sorgfältig beachtet werden. Es muss eine zeitliche Übereinstimmung hergestellt werden, und das ist sehr schwer. Das sind nur einige von den Faktoren, die der Lehrer beachten muss, und es wird damit deutlich, dass nur ein Lehrer, der zusammenfassende geistige Schau erreicht hat und den Menschen «ganz» sehen kann - so wie er wirklich ist -, jene Unterweisungen geben kann, die den alten Rhythmus der Zentren umkehren, ohne Schmerz und Gefahr die schützenden Hüllen zerstören und das Kundalinifeuer von der Basis der Wirbelsäule zum Ausgang im Kopf emporheben.
Solche Lehrer findet der Schüler, wenn er sein Lebenswerk unter der Leitung der Seele durchgeführt, die Theorie der Wissenschaft von den Zentren begriffen, die Astralnatur und das ihr entsprechende Zentrum, das Sonnengeflecht, beherrscht und unter Aufsicht gestellt hat. Der Nachdruck, der vom Christentum auf die Herrschaft des Christusprinzips gelegt worden ist, hat eine sichere Grundlage für die Arbeit geschaffen, die noch geleistet werden muss. Diese Wahrheit wird in eigenartigerweise bestätigt, wenn man die Zahl «Acht» im Zusammenhang mit den Zentren studiert; diese Zahl ist - wie uns gesagt wird - die Zahl des Christus. Es gibt acht Zentren, wenn man die Milz mitrechnet, und alle sind ein Vielfaches von Acht, mit Ausnahme des Zentrums an der Basis der Wirbelsäule, das vier Blätter hat, also die Hälfte von Acht. In unserer Zeit und nach der westlichen Schreibweise ist die Zahl Acht das Grundsymbol aller Zentren, denn die Blätter sind wirklich in [597] der Form einer Anzahl von übereinander gelegten Achten angeordnet. Das Wort «Blatt» ist rein bildlich gemeint, und ein Zentrum ist nach diesem Muster gebildet. Zuerst ein Kreis: O; dann zwei Kreise, die einander berühren und damit eine Acht bilden: 8. Wenn die Anzahl der Blätter zunimmt, dann wächst einfach die Zahl dieser Doppelkreise, die in verschiedenen Winkeln aufeinandergelegt sind, bis wir zu dem tausendblättrigen Lotos im Kopf kommen.
Diese Zentren haben im Grund genommen eine zweifache Funktion. Sie führen uns den Formbildungsaspekt der Göttlichkeit vor und bringen durch ihre Tätigkeit die äussere Form ins sichtbare Dasein; gegen Ende des Evolutionszyklus hin bringen sie dann - sowohl im Makro- wie auch im Mikrokosmos - die Seelenkraft und das Seelenleben zum Ausdruck und führen zur Inkarnation eines voll geoffenbarten Gottessohnes mit allen geistigen Kräften und allem Wissen, das in der Göttlichkeit beschlossen liegt.